H@rtmut Kleinherbers


Energiekrisen

Strom 2

Eine wichtige Quelle zum Thema Ausfall der Stromversorgung ist die Bundestagsdrucksache 17/5672 vom 27. 04. 2011 unter dem Titel: Technikfolgenabschätzung (TA), TA-Projekt: Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung. Die Seitenhinweise im Text beziehen sich auf die Drucksache.

Wodurch kann ein länger andauernder Stromausfall entstehen?
Diese Risikoeinschätzung ist nicht nur mit Blick auf aktuelle Rahmenbedingungen der Stromerzeugung und -versorgung, sondern auch auf deren zukünftig mögliche Veränderungen durchaus plausibel. Dazu zählen u. a. die folgenden Entwicklungen (BMI/BBK 2007, S. 92 f.):
Hier eine kurze Zusammenfssung der möglichen Probleme bei Stromausfall in einem größeren Gebiet (Bundesland) über längere Zeit (2 Wochen und länger):
  1. Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln (Sektor „Landwirtschaft/ Lebensmittelhandel“)(p.71 ff)
    Abhängig vom Strom sind z.B.
    • Teile der Tier- und Pflanzenproduktion (Beleuchtung, Wasserversorgung, Heizung ...
    • Lebensmittelhandel (Transportlogistik, Kommunikation, Verarbeitung, Lagerung, Kassensysteme ...)
    Bedingt durch die mangelnde private Lagerhaltung ist bereits nach Ablauf der ersten Woche mit ernsthaften Engpässen der Lebensmittelversorgung zu rechnen (p.77)


  2. Sicherstellung einer medizinischen und pharmazeutischen Mindestversorgung (Sektor „Gesundheitswesen“)(p.79 ff)

  3. Stromabhängigkeit:
  4. Aufrechterhaltung der (Trink-)Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (Sektor „Wasser und Abwasser“) (p.59 ff)
    Stromabhängigkeit bei
    • Pumpen zur Wasserförderung (61% Trinkwasser aus Grundwasser);
    • Pumpen für Wasseraufbereitung
    • Pumpen zur Druckerhöhung bei Wsserverteilung (z.B. Hochhäuser)
    • Mess- und Steuereinrichtungen

    • Im Fall des Stromausfalls ereignen sich im Bereich 0 - 4 Stunden die Ausfälle aller elektrischen und elektronischen Baueinheiten die nicht durch Notstromaggregate Strom erhalten. Ähnliches gilt für die Abwasserbeseitigung.
    Eine Unterbrechung der Wasserversorgung wirkt sich umfassend auf das häusliche Leben aus:
    • Die Körperpflege ist in gewohntem Umfang nicht durchführbar,
    • das Zubereiten von Speisen und Getränken ist nur eingeschränkt möglich,
    • das Spülen von Geschirr und andere Raumreinigungsarbeiten sind nicht oder nur eingeschränkt machbar,
    • Waschmaschinen stehen still und die Toilettenspülung ist ohne Funktion.
    • Pflanzen können nicht mehr gegossen werden.
    • Saubere Kleidung gibt es bald nicht mehr,
    • Toiletten sind möglicherweise verstopft und die Körperhygiene wird weiter abnehmen.
    • Die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten steigt z. B. durch die Vermehrung von Krankheitsüberträgern, Parasiten und Schädlingen, die deshalb auch häufiger in Wohnräume eindringen können.

  5. Gewährleistung angepasster Mobilität bzw. Transportkapazitäten (Sektor „Transport und Verkehr“) (p.45 ff)
    • Abhängigkeit der Verkehrsführung vom Stromnetz (Ampelanlagen, Schranken, Lampen, Betrieb von Tunneln,Arlarmierung von Rettungskräften etc.)
    • Abhängigkeit der Versorgung mit Treibstoffen vom Strom (Pumpen zum Betanken)
    • Auf der Schiene entfällt der Strom gebundene Verkehr komplett, die Stellwerke müssen auf Handbetrieb umgestellt werden, die Folgen sind starke Einschränkungen des Personen- und Güterverkehrs.

  6. Ermöglichung ausreichender Finanzdienstleistungen (Sektor „Finanzdienstleistungen“) (p.84ff)
    • Es sind nur noch Bargeldzahlungen möglich, Geldautomaten arbeiten nicht mehr, nach ca. 1 Woche gibt es Probleme für die Banken, Bargeld zu beschaffen (Transportprobleme, mehr Bedarf bei steigenden Lebensmittelpreisen und Hamsterkäufen)
    • Firmen bekommen Probleme mit der Liquidität, weil nur noch Bargeldabwicklungen möglich sind, diese aber nur schleppend wahrgenommen werden.

  7. Aufrechterhaltung bzw. Wiederaufbau ausreichender Kommunikationswege (Sektor „Informationstechnik und Telekommunikation“)(p.33 ff)
    • Die Basisstationen von Funktelefonen brauchen eine eigene Stromversorgung
    • Genau ein ISDN Gerät pro Anschluss kann über die Ortsvermittlungsstelle mit Strom versorgt werden
    • DSL-Router und Kabelmodeme fallen bei Stromausfall sofort aus
    • die computerbasierten örtlichen Vermittlungsstellen sind ohne Strom nicht aktiv
    • Mobile Telefone brauchen Strom für den Betrieb und sind auf die Basisstationen angewiesen, die bei längerem Stromausfall ausfallen.


    Um den Ernst der Sachlage noch etwas zu vertiefen zitiere ich hier die Zusammenfssung der Bundestagsdrucksache in der Einleitung (p.15)

    (Beginn Zitat)

    Fazit

    Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden. Die Wahrscheinlichkeit eines langandauernden und das Gebiet mehrerer Bundesländer betreffenden Stromausfalls mag gering sein. Träte dieser Fall aber ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht „beherrschbar“, allenfalls zu mildern.

    Weitere Anstrengungen sind deshalb auf allen Ebenen erforderlich, um die Resilienz der Sektoren Kritischer Infrastrukturen kurz- und mittelfristig zu erhöhen sowie die Kapazitäten des nationalen Systems des Katastrophenmanagements weiter zu optimieren. Der Stromausfall als ein Paradebeispiel für „kaskadierende Schadenswirkungen“ sollte deshalb auf der Agenda der Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft weiterhin hohe Priorität haben, auch um die Sensibilität für diese Thematik in Wirtschaft und Bevölkerung zu erhöhen. Der vorgelegte TAB-Bericht (Büro für Technikfolgen- Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)) soll hierzu einen Beitrag leisten.

    (Zitat Ende)